Konkord 051
Es ist so unendlich still hier
David Lipp & Die Liebe
Am Ende der Liebe bleibt nur der Abschied
Wer seine Band Die Liebe nennt und sich drei Alben lang an nichts anderem als derselben abarbeitet, muss ein Überzeugungstäter sein. David Lipp ist ein solcher. Widmete sich das Album „In immer: Love“ (2005) aber noch rosiger Verliebtheit, war mit „Die einsamen Häuser“ (2007) längst Beziehungsalltag eingekehrt. „Es ist so unendlich still hier“ markiert nun den dritten und letzten Teil von Lipps Trilogie - eine Kollektion von Abschiedsliedern.
Dass diese Lieder immer und immer wieder vom Ende einer Beziehung erzählen, wirkt aber nie eintönig, sondern beweist nur einmal mehr, dass die Liebe – entgegen ihrem Image – nach wie vor das ergiebigste Thema überhaupt ist, man kann es doch drehen wie man will: Die Begegnung zwischen zwei Menschen ist und bleibt unbegreiflich. Die frühe Hitze genauso wie das langsame, nicht für möglich gehaltene Erkalten.
Aber Lipp ist keiner, der einfach seinen Seelenschrott vor das Publikum kippt. Hier schleift einer seine Rohdiamanten sorgsam her, stellt hemmungslose Sentimentalität kunstvoller Entfremdung und künstlerischer Gestaltungsmacht gegenüber. Die Texte, oft zerrissene Story-Fragmente, lose Szenen, zerpflücken lustvoll Klischees, das schier endlose Wiederholen von Textteilen, das gebetsartige Aneinanderreihen von Sätzen und deren Brechung durch kleinstmögliche Variationen stellt die Glaubwürdigkeit des leidenden Verlassenen/Verlassenden immer wieder in Frage.
Musikalisch ist „Es ist so unendlich still hier“ von der Minimal Music mit ihren wiederholenden Mustern und sonischen Kleinstbeben genauso geprägt wie von den Theatermusik-Erfahrungen von Lipp und Gitarrist Thomas Binder-Reisinger in Belgien und Finnland. Die Musik soll immer einem Ganzen dienen, sich nie in den Vordergrund drängen, ist Lipp überzeugt und erinnert sich an die Musik der Computerspiele seiner Jugend, als die technischen Möglichkeiten elektronischer Musik noch auf ein endliches Maß beschränkt waren. Diese Selbstbeschränkung ist für ihn ein zentrales Ausdrucksmittel.
Faszinierend auch, wie stetig sich musikalisches Vokabular und Bandbesetzung über die letzten Jahre erweitert haben. War „In immer: Love“ noch ein forscher elektronischer Alleingang und „Die einsamen Häuser“ dank Binder-Reisinger und der Sängerin Katharina Grossmann ein erster Versuch in Band-Sensibilität, so ist Die Liebe durch die Rekrutierung von Andrea Baumann am Klavier und Hemma Grünbacher am Bass jetzt zum eindrucksvollen Kammerpop-Quintett mutiert. Trotzdem ist hier kein Ton zu viel, sind Pathos und Klangfülle immer genauestens abgeschmeckt.
Für ihre ersten beiden Alben verdienten sich David Lipp und Die Liebe begeisterte Besprechungen aus ganz Europa, Konzerteinladungen nach Deutschland, Frankreich und Italien, sowie die Nominierung zum renommierten Qwartz Electronic Music Award folgten. Zu Recht, denn hier sind rare Forschergeister am Werk, die sich nicht an Grenzmusiken und Abseitigem abrackern, sondern mitten im Massenbetrieb Pop nach unerforschten Feldern neuen Ausdrucksmöglichkeiten suchen.