Konkord 072
Trilogie II
Aura Anthropica
Mit “Aura Anthropica: Trilogie II” schließt Hans Platzgumer an die 1996/97 bei L’Age D’Or veröffentlichte erste Trilogie seines Electronica-Projektes an. Seit damals veröffentlichte Aura Anthropica lediglich 4 weitere Tracks beim Londoner Domino-Label. Waren es vor 16 Jahren 3 EPs, die zu einem Triple-Vinyl-Album und einer CD zusammengefasst wurden, erscheint die jetzige zweite Trilogie gänzlich als Online-Album mit kostenlosen mp3-Downloads (um läppische Bürokratie zu umgehen und konsequent aufzuzeigen, wie Musiker unter den herrschenden Verkaufsbedingungen ohnehin für ihre Produktionen nicht entlohnt werden). Doch nicht nur die äußere Präsentation der zweiten Trilogie hat sich im Gegensatz zur ersten verändert, auch die Musik – wenngleich immer noch langsam und atmosphärisch – ist vollständig durchdigitalisiert. Kein analoges Instrumentarium und Medium kam hier zum Einsatz (von ‚Drumondii’ abgesehen, das 2010 über Baked-Goods auf Vinyl veröffentlicht zu einem veritablen Außenseiter-Hit der UK-Dubstep-Szene wurde).
“Mørketiden”, die erste der 3 hier kompilierten Eps, 2010 über das Wiener Elektroniklabel Phlox veröffentlicht, zeigt sogleich wohin es Aura Anthropica nun verschlägt: in eisig kalte, sperrige Außenzonen. Nach “Drumondii” mit seiner legendär schleppenden, zum Zombie-Walk übergehenden Terminator-Motorik erscheint “Amplifolia” als Dystopie-Dub, bis mit “Uvularia” nur noch abstrakt-technoide Gebilde aus Rhythms & Sounds vorherrschen, die bei “Subulata” in eine bodenlose epische Breite ausufern. Allesamt unfreundliche, auf Distanz gehende Musik für eine ebensolche Welt: der Beweis, dass abstrakte elektronische Instrumentalmusik politisch sein kann.
Auf “Nocturnal Low” (2011) dominieren dunkle, tiefe Klanglandschaften: Shuffle-Grooves, die sich weigern von der Stelle zu kommen (“Ovata”), sich in Spiralen aufschraubender Alien-Funk mit deutlicher Dark Cosmic-Schlagseite (“Paniculata”) und flanierende Electro-Balladen (“Douglasii”) die zu künstlichen Sonnenauf- wie Untergängen leiten (“Kelseyi”).
Wie imaginäre Soundtracks klingen auch die unter dem Titel “Te Henga” versammelten neuen Tracks, wenngleich sie auch weniger dystopisch, ja lebensbejahend erscheinen. Mit “Jo Lean” gibt es sogar so etwas wie einen (kommenden) “Hit”, bei dem sich Dolly Parton (oder eine ihrer Drag-Queen-Impersonators) in einem ganz unsentimentalem Neon-Noir-Knarz-Bass-Kostüm technoiden Nachtfahrten hingibt. Mit entferntem DubStep-Brummen im Ohr, aber eher methodisch, denn sonisch darauf fixiert, lässt dann “Te Henga Shack” mit noch tieferen Sounds und Strukturen die Tanzbeine zappeln. Arschwackeln ist auch beim Shuffle-Beat von “Donator” angebracht, wo sich Techno-Dub als 80ties-Soundtrack postapokalyptischer Ausprägung verkleidet. Und weil’s gerade so schön groovt folgt mit “Ryokan” ein echter Stolper-Shaker, der in seiner Klarheit und Strenge nicht nur das Grundkonzept der “Trilogie II” umreißt, sondern mit seinen markanten Echo-Räumen auch auf Orte jenseits klaustrophobischer Grundstimmungen verweist.